Ohne die vielen Fernsehteams war die Atmosphäre weniger aufgeladen. Auch viele Gäste wie Efraim Zuroff waren nur zum ersten Termin gekommen. Trotzdem verdeckte Bruno D auch beim zweiten Verhandlungstag sein Gesicht, als er in den Saal gefahren wurde. Ein Polizeikommissar des LKA NRW hielt einen Vortrag über eine Recherchefahrt zur Gedenkstätte Stutthof, 2016 unternommen. Es sollte überprüft werden, welche Tatorte von Wachtürmen und von den Zäunen aus überblickt werden konnten. Herr Alf Klinkhammer führte uns mit seinen eigenen Fotos und historischen Aufnahmen über verschiedene Orte des Geländes des früheren KZ. Einige Probleme machten die zahlreichen rekonstruierten Gebäude wie das „Todestor“, das Krematorium, die Holzbaracken und die Wachtürme. Teilweise waren die Rekonstruktionen nach dem Eindruck des Kommissars nicht am exakten Ort und in der exakten Bauweise ausgeführt. Trotzdem war das Ergebnis eindeutig. Von den Wachtürmen und den Wachgängen an den Zäunen waren die Orte der Verbrechen gut einsehbar. Unterfüttert war diese Beweisführung durch Zitate polnischer Prozesse der 60er Jahre, in denen Wachleute die Beobachtung von Verbrechen wie Erschießungen und Erhängungen eingeräumt hatten. Der lange Vortrag musste nach einer Stunde zur Schonung des Angeklagten unterbrochen werden. Gezeigt wurden anschließend auch Filmaufnahmen, mit denen der Zustand des Geländes incl. Baracken, Krematorium, Zaun usw. in den ersten Jahren nach der Befreiung dokumentiert ist. Es schlossen sich Fragen der Richterin und der Nebenklagevertreter an, bei denen der Historiker Stefan Hördler einbezogen wurde. Dieser war zur Geschichte des KZ und der Verbrechensorte deutlich besser orientiert als der LKA-Polizist. Er erklärte die kleine und große Postenkette und die Einrichtung des Krematoriums. Dies wird er aber gesondert nochmals ausführen als geladener Sachverständiger. Wie angekündigt brachte sich Bruno D nicht ein, sondern nur auf Nachfrage der Richterin reagierte er mit wenigen Worten. Nach den ersten Fotos von Übersichtsplänen erklärte er „So kenne ich das Lager gar nicht.“ Und später bemerkte er, auch auf dem Wachturm bei Krematorium und Gaskammer gewesen zu sein.
Die nächsten Verhandlungstage werden zeigen, ob Bruno D in der Lage ist, Substantielles zu sagen. Er wird von der Richterin wie ein rohes Ei behandelt und von Zeit zu Zeit gefragt, ob er alles verstehe und sehe, eine Pause brauche usw.. Ich habe mich mit einigen Zuhörer*innen ausgetauscht. Eine Besucherin ist empört über die lockere Verhandlungsführung der Vorsitzenden Richterin Anne Meier-Göring. Ich persönlich [Meinung des Protokollanten] find es o.k., dass die Richterin Dinge nicht dramatisiert und dass es auch kein juristisches Hickhack gibt.