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35. Verhandlungstag, Dienstag, 09.06.2020

Erstellt am 9. Juni 202029. Juni 2020 von Auschwitz-Komitee

Der Antrag von Verteidiger Waterkamp wurde verlesen. Bruno D. sei nach den Regeln von Befehl und Gehorsam erzogen. Daher habe er subjektiv keine Handlungsoption. Auch kam D. in eine geschlossene Gruppe, wurde emotional einbezogen und hatte aufgrund seiner Jugendlichkeit keine Möglichkeit, andere Optionen zu erkennen. Schon in der Kindheit hatte er keinen Austausch von Standpunkten erlebt. Waterkamp fordert in seinem Antrag, einen Historiker zu hören, der Tätergruppenforschung betreibe, zum Beispiel Frank Bajohr. Waterkamp behauptete, in diesen Forschungen stehe die „Kameradschaft“ im Zentrum. Staatsanwalt Mahnke verstand den Widerspruch zwischen dem von Dey behaupteten Einzelgängertum und dem von Waterkamp angeführten Korpsgeist nicht. Auch Meier-Göring möchte erst das Gutachten von Hotamanides abwarten.

Reimer Möller, Archivleiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, setzte seinen Bericht fort. Die Häftlinge des KZ Stutthof wurden um 14.30 in 100-er Blocks von der Marinekaserne zum Hafen geführt, um auf die “Athen” gebracht zu werden. Durch Fliegerangriffe mit Bordwaffen zerstreuten sich die Wachmänner. Von einigen ist bekannt, dass sie die Uniformen ablegten und versuchten, in Zivil unterzutauchen. Um 16 Uhr trafen britische Panzer auf dem Marktplatz ein und begannen mit Maßnahmen zur Versorgung der KZ-Häftlinge. Meier-Göring fragte, ob die Nähe der Briten allgemein bekannt war – Möller geht davon aus, weil im Radio und in Zeitungen z.B. die Besetzung Hamburgs behandelt wurde. Die Briten bewegten sich vorsichtig und fanden daher erst am Abend die Leichen am Strand bei Pelzerhaken. Deutsche wurden zur Anlage von Massengräbern gezwungen, jedoch wurden nicht alle der am Strand Verscharrten gefunden, so dass bis in die 50er Jahre immer wieder Leichenfunde gemacht wurden. Die 400 Grabplätze am Mahnmal in Neustadt sind zum großen Teil mit Toten der Barken aus Stutthof belegt.

Reimer Möller wurde nun nach dem Anteil der SS-Wachleute befragt. Auf den Schiffen waren rund 70 SS-Wachleute, zum Strand wurden etwa 20 geschickt. Neben der SS waren auf den Barken auch Gendarmen und SD. Gefragt, warum der Zeuge Ackermann von jungen Männern sprach, verwies Möller auf den Einsatz des Volkssturms, zu dem auch HJ gehörte, von dem aber eine Beteiligung an den Morden nicht bekannt ist. Auf Nachfragen der Nebenklagevertreter Babel und Niwinski erläuterte Möller noch mal die Dimensionen. Nach dem Massaker in Gardelegen war der Mord in Neustadt das zweitgrößte Endphaseverbrechen in Norddeutschland. Über die Zugehörigkeit der Opfer auf den Schiffen konnte Möller keine Zahlen nennen – aber 600 jüdische DPs waren in Neustadt. Eine andere Nachfrage kam nach den Motiven für die Räumungen, welche laut Möller in der Absicht der Wehrmacht oder Marine bestand, keine kompromittierenden Zusammenhänge am Kriegsende abzubilden. Daher räumte auch Himmler die Räumungen an.

Nun hatte Meier-Göring doch noch Fragen an Bruno D. Sie hielt D vor, dass der SS-Mann Brüdigam (mit dem D. floh), angab, sie sollten Leichen vergraben. D. beharrte darauf, sie sollten sie nur einsammeln. Sie hoben 6-7 Leichen auf den LKW, der dann wegfuhr, und ihr Trupp ging dann auch nach Neustadt. D. erinnerte sich, dass der Trupp 8-10 Mann umfasste und sie sich dann aufteilten, um nach Hause zu marschieren (D. sagte ausdrücklich, dass sei keine „Flucht“ gewesen). D. beharrte darauf, dass die Häftlinge schon bewacht waren, als sein Trupp (etwa 30 Mann) am Morgen am Strand ankam, und als er da war „da ist keiner erschossen worden“. D. rekonstruierte wieder die Abfolge und konnte sich nun auch daran erinnern, dass beim zweiten Weg zum Strand der Karabiner gegen Schaufeln ausgetauscht wurde. Warum er nur so wenige Leichen sah, konnte D. nicht beantworten, „vielleicht sind wir nicht so weit gekommen.“

Nach der Pause setzte Meier-Göring diese Fragen fort und hakte nach, warum D. von den hunderten Erschießungen nichts erinnerte. D. beharrte: „Wenn ich das gesehen hätte, hätte ich es längst gesagt … Zum Beispiel von dem Sportplatz habe ich nichts gewusst“ (gemeint ist der Sammelplatz auf dem Kasernengelände). Auch auf mehrmalige Nachfrage zu einzelnen Orten, bei denen D. für Meier-Göring dabei gewesen sein muss, beharrte D darauf, er habe keine Verbrechen beobachtet.

Vor der Befragung des Sachverständigen brachte RA Nestler einen Antrag ein, dessen Zielrichtung ich nicht verstanden habe, da er im Juristenlatein vorgetragen wurde.

Der Gutachter Meissnitzer ist Gerontopsychiater und soll erklären, warum die Beweislage diametral den Berichten D. entgegen steht. Meissnitzer erläuterte die Notwendigkeit der Verdrängung und das zusätzliche Bedürfnis, Unangenehmes zu verdrängen. Bei D. habe es angefangen zu arbeiten und so konnte er auch plötzlich den Vornamen eines Wachmannes wieder erinnern, der vorher in der Erinnerungskiste ganz unten gelegen habe. Grausame Erlebnisse werden eher verdrängt und weniger erinnert, so dass sie sehr tief liegen, zudem entwickelte Menschen Strategien, um solche Erinnerungen nicht zuzulassen. Meier-Göring hakte ein, sie kenne es von traumatisierten Zeugen, dass sie zittern usw., wenn belastende Dinge erfragt werden – dies sei bei D. nicht zu beobachten. Meissnitzer erwiderte, D. sei nicht gewöhnt, über seine Emotionen zu sprechen. Ob D. nun alles erzählt habe, könne er als Gutachter nicht sagen, es sei möglich, dass er was unten in der Kiste lasse. Ein neurologisches Problem bei D. habe er nicht erkannt, D. zeige auch keine Anzeichen von Demenz. Diese Auskünfte seien auch durch eine Mitarbeiterin und durch zwei Ärzte des UKE bekräftigt worden. Aufgefallen sei Meissnitzer lediglich eine Situation, in der D. körperlich reagiert habe, was er auf dessen Unerfahrenheit im Reden über belastende Dinge zurück führt.

Staatsanwalt Mahnke fragte, ob der Gutachter erkannt hätte, wenn D. lüge. Dies verneinte Meissnitzer, dafür müsste die Tatsache der Lüge feststehen. Gemeinsam spekulierte man weiter über die Gründe der Erinnerungslücken bei D. (ob er zu schlicht sei, ob der Einfluss des totalitären Regimes zu groß war, ob er verdränge, weil er es nicht wahrhaben wolle). Hiermit endete die öffentliche Verhandlung, die Richterin kündigte an, im Anschluss ein Rechtsgespräch führen zu wollen.

>>> zum Prozess-Tagebuch

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