Die Überlebende Rosa Bloch, 89 Jahre, Ingenieurin aus Holon/Israel sagt als Zeugin aus. Ihre Aussage wird von einem Dolmetscher übersetzt.
Rosa Bloch wurde im Juli 1944 aus dem Ghetto Kowno/Litauen mit ihrem Vater und ihrer Mutter nach Stutthof deportiert. Ihr Vater wurde direkt in das KZ Dachau weiterverschleppt, Rosa Bloch und ihre Mutter blieben im KZ Stutthof. Die Zeugin erklärte, dass es unvorstellbar gewesen sei, was sich auf dem Transport im Waggon abgespielt habe. Die Menschen konnten sich nicht bewegen und standen in Fäkalien. Das Erste, was sie bei ihrer Ankunft in Stutthof sah, war eine riesige Pyramide aus Schuhen. In diesem Moment dachte sie sich, dass an diesem Ort etwas nicht stimmt. Vom Zug mussten die Menschen ins Lager marschieren. Dabei wurden sie sehr stark von Wachleuten mit Hunden bewacht. Rosa Bloch betonte, dass Kinder in ihrem Alter eigentlich gar nicht in Stutthof geblieben sind. Zum Zeitpunkt ihrer Ankunft war sie 12 Jahre alt, ihre Mutter gab ihr Alter bei der Registrierung im Lager aber als 14 Jahre an. Die Registrierung habe sehr lange gedauert, sie mussten viele Fragen beantworten und auf der Registrierungskarte, die Rosa Bloch dem Gericht zeigte, wurden z.B. die Augenfarbe und die Form der Nase vermerkt. Mit ihr wurden ca. 300-400 Jüdinnen nach Stutthof deportiert. Nach der Registrierung wurde eine Entlausung durchgeführt. Die Frauen mussten sich komplett ausziehen, wurden von einer Gynäkologin überprüft und von allen Seiten betrachtet. Dann mussten sie sich waschen und erhielten die Häftlingskleidung, die lediglich aus einer Hose und einer Jacke bestand, ihre eigenen Sachen mussten sie abgeben. Rosa Bloch kam in Block 19. Dort gab es Pritschen, auf denen man kaum liegen konnte. Ab diesem Zeitpunkt seien sie keine Menschen mehr gewesen, sondern nur noch eine Nummer. Tiere hätten bessere Bedingungen gehabt als sie, betonte Rosa Bloch. Die ganze Zeit über war sie schrecklich hungrig. Morgens bekamen die Frauen ein kleines Stück Brot mit gelbem Käse, mittags eine Suppe, die eigentlich nur aus Wasser bestand.. Einmal hoffte sie, noch etwas mehr Suppe zu bekommen, doch der SS-Mann, der die Suppe verteilte schlug sie daraufhin mit einem Stuhl nieder. Sie blutete schwer und wurde von anderen Häftlingen zur Baracke getragen. Der Wachmann wollte sie töten, war sich Rosa Bloch sicher. Und das alles nur, weil sie etwas mehr essen wollte.
Die Häftlinge mussten jeden morgen zum Appell in einer Achterreihe antreten. Dabei kam es immer wieder zu Selektionen unter den Häftlingen. Rosa Bloch erinnerte sich, wie bei einem dieser Appelle eine junge Frau, mit schweren Schmerzen am Bein neben ihr stand und sie fragte, ob sie die Plätze tauschen könnten. Die Frau wurde daraufhin sofort von einem Deutschen herausgepickt. Rosa Bloch sah sie nie wieder. Bloch betonte, dass es das Ziel der Nazis gewesen sei, die Zahl der Häftlinge zu verkleinern. Das realisierte sie, als sie den Schuhberg bei ihrer Ankunft sah. Sie dachte zunächst: „Hier komme ich nie wieder raus.“ Während ihrer Zeit im Lager musste sie aber ihre Mutter unterstützen. Diese war nach der KZ-Haft nicht wieder zu erkennen. Rosa Bloch blieb stark und optimistisch, doch noch aus dem Lager rauszukommen. Sie hat ihre Mutter mit ganzen Kräften unterstützt. Die Beiden wurden nach 1-2 Monaten vom Stammlager in ein Außenlager des KZ Stuttof verlegt und mussten Gräben für die Wehrmacht ausheben.
Die Richterin fragte nun noch einmal nach den Zuständen in der Baracke. Die Zeugin erklärte, dass vielleicht 100 Menschen in einer Baracke leben mussten. Sie schliefen dicht gedrängt auf Holzpritschen. Die Menschen konnten sich nicht umdrehen. Rosa Bloch betonte erneut: „Man ist nichts. Nur eine Nummer.“ Die Wachleute konnten die Häftlinge sofort töten. Sie sei sehr froh hier zu sein und ihre Geschichte zu erzählen. Sie beschuldigt die Wachleute für das, was sie ihnen angetan haben. Bloch: „Ich werde ihnen nie verzeihen und das nie vergessen.“ Die Wachleute seien überall gewesen und haben alles gesehen. Am Abend waren die Wachtürme beleuchtet und gut zu sehen. Das sah sie, wenn sie auf die „Toiletten“ ging, die sich außerhalb der Baracken befanden. Die Latrinen haben fürchterlich gestunken. Rosa Bloch sagte noch einmal, dass sie als Kind in der Wachstumsphase ständig hungrig gewesen sei. Das Ziel sei ganz klar gewesen, sie zu töten.
Die Verhandlung wurde nun für 15 Minuten unterbrochen.
Nach der Unterbrechung fragte die Richterin die Zeugin nach dem Wachpersonal bei ihrer Ankunft in Stutthof. Rosa Bloch antwortete, dass die Wachmannschaften mit Waffen und Hunden ausgestattet und sehr brutal waren. Ständig seien sie geschlagen worden. Woher die Wachleute waren, wisse sie nicht, schließlich hätten die sich nicht vorgestellt. Im Lager selbst habe es nur wenige Hunde gegeben, aber die Wachleute seien auch so grausam genug gewesen. Die SS-Männer hätten sich selbst wie Hunde verhalten. Immer wieder seien Menschen einfach verschwunden, sie wisse aber nicht wie. Im Lager starben die Menschen an Krankheiten und Hunger und wurden umgebracht, wie in der Gaskammer. Über die Gaskammer hätten sie alles gewusst, betonte Rosa Bloch. Die jüdischen Männer, die im Sonderkommando arbeiten und die Leichen herausholen mussten, riefen ihnen durch den Zaun zu, was sich dort abspielte. Das Sammeln von Leichen auf Karren habe sie jedoch nicht beobachtet, erklärte die Zeugin auf Nachfrage der Richterin.
Rosa Bloch wurde mit ihrer Mutter zu Fuß aus dem Lager getrieben. Im Winter mussten sie jeden Tag mehrere Kilometer gehen. Ständig starben Menschen, wenn Häftlinge umfielen, wurden sie erschossen. Als sie losgingen, habe die Gruppe aus hunderten Menschen bestanden. Am Ende des Todesmarsches seien es nur noch 30 gewesen. Rosa Blochs Mutter erlebte zwar die Befreiung, starb jedoch unmittelbar nach Kriegsende an den Folgen der KZ-Haft. Ihre Mutter sei sehr intelligent gewesen, erklärte Rosa Bloch. Im Lager sei sie jedoch ein ganz anderer Mensch geworden. Die Mutter sei stark davon beeinflusst worden, dass sie in Stutthof nur noch eine Nummer war. Was die Zeit mit ihr gemacht habe, fragte die Richterin die Zeugin. Bis heute habe sie einige Krankheiten aus dieser Zeit, erklärte Rosa Bloch. Sie sei aber eine sehr starke Frau und wollte nach vorne schauen. Nach dem Krieg gründete sie eine Familie. Die Erlebnisse haben sie stark gemacht. Rosa Bloch betonte, dass diese Zeit nicht in Vergessenheit geraten und der Prozess in die Geschichte eingehen solle. Diejenigen, die für diese Verbrechen verantwortlich sind, sollten schuldig gesprochen werden und eine Strafe erhalten. Abschließend sagte Rosa Bloch, dass sie hier Menschen getroffen habe, die weitererzählen werden, was passiert ist.