Hamburg braucht einen Ort der Aufklärung über Widerstand und Verfolgung im STADTHAUS. Die Erinnerung an den Faschismus und die Auseinandersetzung damit gehören nicht in private Hände, sondern in die öffentliche Verantwortung.
DAS STADTHAUS WAR DIE ZENTRALE DES NAZI-TERRORS
Mitten in Hamburgs Innenstadt befand sich von 1933 bis 1943 der Sitz des Gestapo-Hauptquartiers, der Ordnungspolizei, der Kriminal- und Sicherheitspolizei und weiterer Polizeidienststellen des „Dritten Reiches“. Das Stadthaus war Zentrum des Nazi-Terrors in Hamburg sowie weiten Teilen Norddeutschlands:
Hier wurden die Deportationen der Hamburger Jüdinnen und Juden, Sinti und Roma geplant und vorbereitet. Hier wurden die Polizeibataillone aus Hamburg, Bremen und Lübeck für den Einsatz im Vernichtungskrieg organisiert und eingesetzt.
Hier saß die Abteilung der Gestapo, die für die Überwachung von hunderttausenden Zwangsarbeiter_innen zuständig war und sie bei kleinsten angeblichen Vergehen bestraften und ins KZ bringen ließ. Die Abteilung war auch direkt an Hinrichtungen beteiligt.
Hier wurden viele mutige Menschen aus dem politisch begründeten Widerstand, insbesondere auch aus der KPD und der SPD, verhört, gefoltert und ermordet. Hier begann der Leidensweg Tausender, die als Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Swing-Jugendliche, Oppositionelle, Berufsverbrecher oder Asoziale stigmatisiert, verfolgt, verhaftet und in die Zuchthäuser und Konzentrationslager deportiert und in zahlreichen Fällen dort ermordet wurden.
NACH 1945:
VERSCHWEIGEN, VERDRÄNGEN UND PRIVATISIEREN
Nach dem Ende der Nazi-Diktatur wurde das teilweise zerstörte Gebäude wiederaufgebaut und zum Sitz der Baubehörde. Das Wissen um die im Stadthaus organisierten und betriebenen Verbrechen wurde jahrzehntelang verschwiegen und verdrängt.
Erst 1981 wurde auf intensives Drängen einer Gewerkschaftsgruppe und auf Antrag der dort Beschäftigten und ihrer finanziellen Mitwirkung eine Gedenktafel angebracht. An einer weitergehenden Erinnerung waren Senat und Bürgerschaft nicht interessiert.
Noch einmal 30 Jahre brauchte es, bis der Senat im Zusammenhang mit der Privatisierung des stadteigenen Gebäudekomplexes die Notwendigkeit anerkannte, hier „ein würdiges Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in Hamburg“ zu etablieren. Der Immobilieninvestor Quantum musste sich im Kaufvertrag verpflichten, einen „Lernort mit unterschiedlichen Inhalten (Ausstellung, Seminare, Veranstaltungen, Inszenierungen, Dokumentationen)“ auf einer Ausstellungsfläche von ca. 750 Quadratmetern einzurichten und zu betreiben. Das entspricht wenige
Der Umgang mit dem Stadthaus stellt die Erinnerungskultur unserer Stadt auf eine Bewährungsprobe. Es ist zu hoffen, dass Hamburg diese Probe besteht.
Senator a.D. Prof. Dr. Joist Grolle,
2008 als Vorsitzender des Vereins für Hamburgische Geschichte (lt. Hamburger Abendblatt vom 12.02.2008)
INFOPOINT STATT WÜRDIGES GEDENKEN
Doch was ist aus den im Kaufvertrag vereinbarten 750 Quadratmetern geworden? Im Mai 2018 wurde an der Stadthausbrücke 8a die Buchhandlung „Lesesaal“ mit Café und angeschlossenem „Geschichtsort“ eröffnet. Für diesen „Geschichtsort“ stehen nur noch 50 Quadratmeter, also nicht mehr als ein Infopoint, zur Verfügung. Der Investor sieht damit seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Denn er rechnet die Fläche von Buchhandlung und Café ebenso wie die im Untergeschoss liegende Toiletten- und Aufzugsanlage des Gebäudes und die Flanierfläche „Arkaden“ in den „Stadthöfen“ als Teile des Gedenkorts.
Der Kultursenator bestätigt trotz aller Proteste bislang diese schamlose Vertragsinterpretation des Investors.
So macht die Privatisierung der Erinnerung aus der mörderischen Nazi-Geschichte des Stadthauses eine Bagatelle.
KRITIK UND PROTEST
Seit Jahresbeginn haben sich Verfolgtenverbände (VVN und AVS), Geschichtswerkstätten, Erinnerungsinitiativen und viele Unterstützer_innen wie die gewerkschaftliche Gruppe Gedenktafel Stadthaus von 1980 zu einer Initiative Gedenkort Stadthaus zusammengefunden und vielfältig ihren Protest artikuliert.
Als Reaktion auf diesen öffentlichen Druck wurde von der Kultur-behörde ein „Beirat“ berufen. Dessen Mitglieder haben festgestellt, dass auf der für den „Geschichtsort“ verbliebenen Fläche von 50 Quadratmetern eine Dokumentation von Polizei- und Nazi-Terror, Mord, Verfolgung und Widerstand nur unangemessen oberflächlich möglich, ein Lernort unter den gegebenen Bedingungen jedoch keineswegs realisierbar ist und gefordert, dass dafür zusätzliche Fläche bereitgestellt werden muss.
In einem Offenen Brief an den Bürgermeister haben zahlreiche anerkannte Historikerinnen und Historiker ebenfalls das von Quantum und Kulturbehörde vertretene Konzept scharf kritisiert.
Immer wieder wird darauf hingewiesen, dass Städte wie Münster, Berlin, München, Nürnberg, Köln und Düsseldorf in Gebäuden, die ähnlich wie das Stadthaus in Hamburg Hauptquartiere des organisierten Nazi-Terrors waren, moderne und angemessene Dokumentations- und Erinnerungsorte geschaffen haben. Große Besucherzahlen dort belegen das Interesse der Menschen und die gesellschaftliche Notwendigkeit von Erinnerungskultur für Gegenwart und Zukunft.
WIR FORDERN:
- Einen Lern-, Dokumentations- und Gedenkort, der diese Geschichte des Stadthauses, die zur Geschichte Hamburgs gehört, ins öffentliche Bewusstsein bringt
- Einen Raum für die Darstellung des antifaschistischen Widerstandes und die Würdigung der Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfer
- Für diesen Lernort Stadthaus eine Fläche, in der zumindest die schon vorhandenen Ausstellungen und Inhalte angemessen präsentiert werden können
- Als einen Schritt dazu die Durchsetzung des zwischen der Stadt und dem Investor Quantum geschlossenen Vertrages über 750 Quadratmeter
Wir schlagen daher für den an diesem zentralen Ort erforderlichen Dokumentations- und Lernort das Görtz´sche Palais am Neuen Wall vor, in dem unter anderem die Leiter von Polizei, Sicherheitspolizei und Gestapo residierten und durch dessen Tor die Verhafteten und Inhaftierten auf den Gestapo-Hof gefahren wurden.
Wir sind nicht bereit, den respektlosen Umgang mit der Geschichte des Stadthauses hinzunehmen. Denn wir wollen nicht denen recht geben, die die Nazi-Verbrechen zu einer Kleinigkeit bagatellisieren oder die daran Beteiligten als Vorbilder und Leitfiguren etablieren wollen. In Hamburg muss sich die Glaubwürdigkeit antifaschistischer Bekundungen auch am Umgang mit dem Stadthaus messen lassen.
WAS TUN?
Mahnwachen
In der Regel findet an jedem Freitag von 17 bis 18 Uhr eine Mahnwache statt, die der Aufklärung der Passanten dient
Informationen
und Forderungen bitte weitergeben, insbesondere an Mitglieder der Parteien, die derzeit die Regierungsverantwortung
haben (SPD und Grüne)
Spenden
können Sie für unsere Aktivitäten auf folgendes Konto:
VVN-BdA e.V. Hamburg | Hamburger Sparkasse
IBAN DE78 2005 0550 1206 1271 83 | Stichwort: Stadthaus
Unterstützerinnen und Unterstützer:
Amicale Internationale de Neuengamme; Arbeitsgemeinschaft Neuengamme e.V.; Arbeitskreis ehemals verfolgter und inhaftierter Sozialdemokraten (AvS); Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.; Berufsverband Bildender Künstlerinnen und Künstler e.V.; City-Hof e.V. – Für gelebte und gebaute Kultur; Denkmalverein Hamburg; DGB Hamburg; Förderkreis Gedenkstätte und Lernort Stadthaus; Freundeskreis KZ-Gedenkstätte Neuengamme e.V.; Gängeviertel; Gegen Vergessen – Für Demokratie e.V.; Geschichtswerkstatt St. Georg; Hamburger Bündnis gegen Rechts; Initiative Gedenktafel Stadthaus 1981; Landesjugendring Hamburg e.V.; Lelka & Mania; Netzwerk Recht auf Stadt Hamburg; Omas gegen Rechts Hamburg; Stolperstein-Initiative Hamburg; Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen; ver.di: AK Antirassismus, FG Sozial-, Kinder- und Jugendhilfe, OV Hamburg des FB Medien, Kunst, Industrie; Verlag Assoziation A; Willi-Bredel-Gesellschaft Geschichtswerkstatt e.V.; Dr. Sigrid Curth, Geschichtswerkstatt Wandsbek; Dr. Stephan Linck, Evangelische Akademie der Nordkirche; Hein Pfohlmann, 1. Vorsitzender des Kuratoriums der Gedenkstätte Ernst Thälmann Hamburg; Ibrahim Arslan; Detlef Baade; Prof. Dr. Ulrich Bauche; Rolf Becker; Esther Bejarano; Christine Ebeling; Bernhard Esser; Norbert Hackbusch; Hannes Heer; Ulrich Hentschel, Pastor i.R.; Barbara Hüsing; Michael Joho; Siri Keil; Bernhard Nette; Peggy Parnass; Bernhard Stietz-Leipnitz; Sönke Wandschneider, Pastor; Sylvia Wempner
Weitere Informationen
- Dokumentations-, Lern- und Gedenkort Stadthaus (PDF zum Herunterladen)
- Alle Termine der Mahnwache