Ein Rechter versuchte vor dem Landgericht vergeblich, ein Transparent an einer Lattenkonstruktion zu befestigen, bevor ihn die Polizei des Ortes verwies.
Der Verhandlungstag begann mit einem Antrag des Verteidigers Waterkamp, der ein neurowissenschaftliches Gutachten wünscht, um die Erinnerungslücken Bruno Ds., die nach Meinung des Verteidigers zu seinen Ungunsten – (D. lasse Erinnerungen aus, die ihm nicht passen) – interpretiert werden, zu erforschen. Die Beurteilung von solchen Auslassungen sei für sie nichts Neues und sie wolle auch den Gutachter Hatamanides dazu befragen, erklärte Meier-Göring dazu.
Auf Nachfragen begann Bruno D. aus seiner Kindheit zu erzählen. Er hatte vier Geschwister und musste auf dem Hof seines Vaters mithelfen. Die Schule gefiel ihm nicht, denn dort gab es keine Kameradschaft, sondern Prügel durch die Mitschüler. So blieb er ein Einzelgänger. „Viel Schönes gab es da nicht.“ Obwohl der Vater Gemeindevorsteher war und mit anderen Dorfbewohnern zusammenkam, sei über Politik nie geredet worden, zumal das Dorf getrennt war und sie als Katholiken zu den „Polacken“ gerechnet wurden. Gesprächsthemen der Familie waren: wie pflanzt man Kartoffeln, wie sät man Getreide. In der Schule lernten sie NS-Lieder, doch er weigerte sich lange, in die HJ einzutreten und war dann nur pro forma Mitglied. In die Lehre wurde er durch seine Mutter gesteckt, obwohl er, wie er auf Nachfrage der Richterin angab, lieber Chauffeur geworden wäre. In der Lehre teilte er sich mit dem polnischen Gesellen ein Zimmer in Danzig. D. betonte, dass die Gesellen keine Nazis waren. Die Richterin versuchte etwas über seine Kontakte und Interessen herauszubekommen, aber die spannendsten Dinge, die D. einfielen, waren Anrufe der HJ, die ihn wegen Nichterscheinens ausschimpfte. D. charakterisierte sich auf Nachfrage als „ruhig und naiv“, als jungen Mann mit spätem Bartwuchs, „ich hätte mich mehr durchsetzen müssen, bin allem aus dem Weg gegangen.“ Zum Schluss der Befragung zur Jugend gab es noch einen merkwürdigen Moment, als Bruno D. angab, den Kriegsausbruch im ca. 25 km entfernten Danzig nur als Nachrichtenmeldung mitbekommen zu haben. Dies bezweifelte der Nebenklagevertreter Niwinski und die Richterin fragte D.: „Wussten Sie denn, wer den Krieg begonnen hat?“, worauf D. antwortete: „Nichts Genaues weiß man nicht.“ Ob er sich damit auf rechte Revisionisten bezieht, kam leider nicht heraus, weil Pause war.
Nach der Pause übersprang die Richterin den KZ-Dienst von D. und befragte ihn zur Nachkriegszeit. Am 3. Mai habe er sich in Neustadt nach der Aufforderung eines Wehrmachtsoffiziers, zu verschwinden, nach Hause durchschlagen wollen. Die Richterin fragte nach, wann D. das Kriegsende erlebt habe, aber D. behauptete, von der Annäherung der „Amis“ (Neustadt wurde durch Briten befreit) nichts gewusst zu haben. Wer ihm in Neustadt die Befehle zum „Einsammeln“ von Häftlingen oder von der Bergung von Leichen auf LKW gegeben habe, wisse er auch nicht mehr, das müsse der Gruppenführer gewesen sein. Er entfernte sich, die brennende Cap Arcona noch sehend und zog die Jacke aus und Marinezeug, welches herumlag, an. Dass er bewusst seinen Statur als SS-Mann verbergen wollte (in der Vernehmung hatte er angegeben, sein Soldbuch und seine Erkennungsmarke beseitigt zu haben), verneinte D. auch auf Nachfragen des Nebenklagevertreters Niwinski: „Ich wollte kein Soldat mehr sein.“
D. wurde von US-Truppen in einem Gefangenenlager (offenbar in Mecklenburg) interniert, da habe es keine Decke und kein Kochgeschirr gegeben. Dann kam eine Verlegung nach Westen in ein britisches Gefangenenlager. Er war geschwächt und wurde am 19.12.1945 entlassen. Er arbeitete, da Landwirt, bei zwei Bauern. Kontakt zu seinen Eltern, die noch in Westpreußen blieben, bestand (für 14 Jahre) nicht, aber ein Onkel fand ihn und brachte ihn in einer Bäckerei in Meckelfeld unter. 1955 heiratete er und wurde Vater von zwei Töchtern. Jobs als LKW-Fahrer, bei Thörl, als Hausmeister und der Bau eines Hauses waren weitere Lebensstationen. Er lebt eng mit den Töchtern und deren Familien zusammen.
Meier-Göring erfragte den Wissensstand seiner SS-Laufbahn in der Familie. Nein, die Kinder und Enkel würden ihn nicht fragen. „Ich möchte vergessen und nicht weiter aufarbeiten. Ich habe mein ganzes Leben dafür gearbeitet, um mal Ruhe zu haben.“ D. kennzeichnete nun auch das Gerichtsverfahren als eine Belastung für ihn, denn nun wolle er erst recht nicht über die Zeit und den Krieg sprechen. Das er damit die Enkel noch belaste, das wäre ihm zuwider. „Wem sollte das helfen, wenn ich irgendwem was erzähle.“ Gefragt, ob er sich nicht vorher hätte drücken können, verwies D. wieder nur auf seine Schuldlosigkeit: „Wache stehen war der Befehl … Es gab keine Möglichkeit für mich, wegzukommen.“