So lautete der Titel des Vortrags, zu dem das Auschwitz-Komitee in der BRD in die kleine „Galerie Morgenland“, gleichzeitig Sitz der Geschichtswerkstatt Hamburg-Eimsbüttel, am 20.9. eingeladen hatte. Die Vortragende, Dr. Natalia Timofeeva, war schon Monate zuvor gebeten worden, diesen Vortrag zu halten. Die Veranstaltung war tagespolitisch nicht aufgeladen.
Ausgangspunkt ihrer Darstellung war die bekannte historische Tatsache, dass nach dem Sieg über Nazi-Deutschland Sowjetbürger, die sich zwangsweise während des Krieges in Deutschland aufgehalten hatten, von der Stalinschen Administration diskriminiert wurden: Dies galt nicht nur für Kriegsgefangene, sondern auch für die Opfer der Zwangsarbeit. Frau Timofeeva berichtete auch von einem Fragebogen bei Einstellungen, durch den noch Jahrzehnte später bis zum Ende der Sowjetunion erhoben wurde, ob die betreffende Person sich im Krieg in einem von Deutschen besetzten Gebiet aufgehalten habe.
Von offizieller Seite wurden die Traumata der genannten Gruppen nicht gewürdigt; im Gegenteil. Die wenigen Versuche stammten lange Zeit nur aus künstlerischen Kreisen und konnten keine öffentliche Resonanz erwarten: Die Opfer der NS-Zwangsarbeit standen in Konkurrenz mit den militärischen Kriegsopfern.
Im „Tauwetter“ der 1960er Jahre gab es zwar eine gewisse Öffnung für das Problem; doch erst mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion erfolgte ein Einschnitt: Nun setzten sich Teile der Zivilgesellschaft dafür ein, den Opfern der NS-Zwangsarbeit und deren Traumata eine Stimme zu geben. Frau Timofeeva gab Beispiele dafür, wie Konstellationen innerhalb der Familien sich plötzlich zum Guten änderten, wenn einzelnen Opfern ermöglicht wurde zu erzählen, was ihnen durch die Zwangsarbeit angetan worden war. Aus ihren regionalen Forschungen im Gebiet Woronesch berichtete sie von dem Bau der „Berlinka“, einer Bahnverbindung von dort über Charkow nach Rostow am Don, die, unter härtestem Zwang durch die deutschen Besatzer im August 1942 fertiggestellt, schon im Dezember desselben Jahres (Stalingrad!) aufgegeben werden musste. Positiv war Frau Timofeevas Ausblick auf die heutige Situation aus der Perspektive ihrer universitären Arbeit: Die Studierenden sind sehr aufgeschlossen für das Thema der in der russischen Gesellschaft fortwirkenden Traumata aus der NS-Zwangsarbeit im Zweiten Weltkrieg. Lothar Zieske