Esther Bejarano (1924-2021), Überlebende der KZ Auschwitz und Ravensbrück, wurde am 3. Mai 1945 in Lübz (Mecklenburg) befreit.
Esther Bejaranos Herzenswunsch seit vielen Jahren war, noch einmal auf dem Marktplatz der Stadt Lübz zu stehen und – wie vor 77 Jahren – ihre Befreiung zu feiern. Die Corona-Pandemie hat das zwei Jahre lang verhindert. Am Ort ihrer Befreiung nach dem Todesmarsch werden wir am 3. Mai 2022, 15 Uhr, auf Marktplatz Lübz an diesem Tag an Esther Bejaranos Auftrag erinnern:
Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann.
Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken: Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.
Genau dort, wo Esther Bejarano auf einem Akkordeon gespielt und gemeinsam mit ihren Befreiern gesungen hat, mitten auf dem Marktplatz.
Am 3. Mai 1945 wurde Esther Bejarano mit sechs anderen jungen Frauen aus dem KZ Ravensbrück in Lübz befreit. Ihre zweite Geburt, wie sie sagte. Auf dem Marktplatz feierten die jungen Frauen dann gemeinsam mit amerikanischen und sowjetischen Soldaten das Kriegsende und die Befreiung. Die ganze Geschichte erzählen wir auf dem Marktplatz.
Begrüßung durch Bürgermeisterin Astrid Becker und Beiträgen von Andrea Genest, Leiterin Gedenkstätte Ravensbrück, Helga Obens, Auschwitz-Komitee, Gerd Vorhauer und Schüler:innen des Eldenburg-Gymnasiums.
Musikalische Begleitung: Yefim Kofmann am Akkordeon und das Trio „Ns Sdarovie“.
Moderation: Carmen Lange, Gedenkstätte Sachsenhausen
Ehrengast: Edna Bejarano, Tochter von Esther Bejarano.
Am 3. Mai 2022 von 15 Uhr an erzählen wir die ganze Geschichte in Lübz auf dem Marktplatz. Die Stadt Lübz, der Förderverein Gymnasium Lübz e. V., das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e. V., die Gedenkstätte Ravensbrück und die Gedenkstätte Todesmarsch im Belower Wald laden alle herzlich ein, sich anzuschließen
Am 4. Mai 2022, 20 Uhr lädt der Förderverein Gymnasium Lübz e V. dann ein zu einem Konzert mit Joram Bejarano und Kutlu Yurtseven, Microphone Mafia.
Ort: Eldenburg-Gymnasium, Blücherstraße 22A, 19386 Lübz.
- Eintritt: frei (Spenden erwünscht)
Aus der Rede von Helga Obens, Auschwitz-Komitee
Alles über die Befreiung von Esther Bejarano nach KZ und Todesmarsch, wie versprochen, werden wir hier nicht erzählen können, hier „am Ort ihrer „zweiten Geburt“, wie sie sagte.
Aber immer wieder hat Esther Bejarano von dem Tag gesprochen, an dem amerikanische und sowjetische Soldaten sich hier am 3. Mai 1945 umarmten und küssten. Genau so sagte sie es. Was heute wie ein Mirakel erscheint, war Esther Bejaranos Herzenswunsch seit vielen Jahren, war, noch einmal hier auf dem Marktplatz der Stadt Lübz zu stehen und – wie vor 77 Jahren – ihre Befreiung zu feiern. Die Corona-Pandemie hat das zwei Jahre lang verhindert.
Sie hat das nicht mehr geschafft. Heute stehen wir hier allein.
Wir danken Esther, danken für ihr großes, tapferes Herz, danken für ihr unvergleichliches Lachen, für ihre Klarheit, ihre Zuversicht, trotz alledem, für ihren ansteckenden und trotzigen Mut, sie wird unser immer ein Vorbild bleiben.
Am Ort ihrer Befreiung nach dem Todesmarsch erinnern wir an diesem Tag an Esther Bejaranos Auftrag:
Der 8. Mai muss ein Feiertag werden! Ein Tag, an dem die Befreiung der Menschheit vom NS-Regime gefeiert werden kann. Das ist überfällig seit sieben Jahrzehnten. Am 8. Mai wäre dann Gelegenheit, über die großen Hoffnungen der Menschheit nachzudenken:
Über Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – und Schwesterlichkeit.
Genau dort, wo Esther Bejarano auf einem Akkordeon gespielt und gemeinsam mit ihren Befreiern gesungen hat, mitten auf dem Marktplatz.
„Es hat lange gedauert bis ich in der Lage war, über mein Leben in nazistischer Gefangenschaft zu erzählen. ein großes Glück für mich ist, dass ich deutsche Menschen kennenlernen durfte, die Widerstand in der Nazizeit leisteten, die auch in KZs oder in Gefängnissen gefoltert wurden. Zu ihnen hatte ich Vertrauen. […] Diese Menschen machten mir Mut und halfen mir, meine Erlebnisse in Schulen zu erzählen.“
Und das hat Esther Bejarano getan, unermüdlich, überall, aber ganz besonders gern sprach sie mit jungen Leuten, mit Schüler:innen. Auch in ihrem letzten Lebensjahr noch. Sie wurde überall gebraucht, diese Mutmacherin – unsere EHRENANTIFA, die Anstifterin, unser „Krümel-Kraftwerk“, wie sollten wir da schweigen? Wie viele Lesungen, Demonstrationen, Zeitzeug:inneninterviews und Pressetermine waren das wohl in den letzten Jahrzehnten?
Esthers Lieder bewegten und erreichten die Mensche. Und wie viele Konzerte waren es wohl? Viele Jahre gemeinsam mit Edna, ihre Tochter, später dann mit ihrem Sohn Joram und Microphone Mafia.
Ich bin dankbarfür jeden Tag, an dem ich Esther gekannt habe. Uns „Nachgeborenen“ half sie, unsere Fassungslosigkeit über das Grauen der Nazizeit erst in Zorn und Wut, dann in Taten umzuwandeln, in ein „Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!“
Das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist:innen waren ihre Freunde und Verbündeten.
Krieg in der Ukraine – das Nachbarland Russland wirft Bomben auf ukrainische Städte. Menschen sterben. Unter ihnen auch der 96-jährige Boris Romanchenko, der vier Konzentrationslager der Nazis überlebte . Bei einem russischen Luftangriff auf Charkiw wurde er getötet. Krieg, Tod, Vertreibung! Völkerrecht und Menschenrechte werden missachtet. Wer hat sich das je vorstellen können?
Nein, ich will nicht lernen, die Bombe zu lieben! Und auch keine Panzer! Naiver Pazifismus? Vielleicht. Aber was hätten Esther und die anderen Überlebenden getan? Sie hätten Protestbriefe geschrieben und Appelle verfasst, wie immer, wenn sie Unrecht ausmachten. Briefe an den russischen Präsidenten, Briefe an Kriegstreiber, Briefe an Pazifisten und an Bellizisten. Sie hätten die UN zum Handeln aufgefordert: VERHANDELT!!!!, hätten sie gefordert – mit der Kraft der Autorität der Überlebenden der Shoah. Ihnen wurde endlich zugehört, endlich, seit einigen Jahren jedenfalls.
Ja. Esther war Politikerin. Sie war Influencerin. Ein Mensch, der Menschen liebte.
So gern hat Esther im Freundeskreis ihre legendären Gartenfeste gefeiert. Aber es war zu oft Zeit für Empörung, für Zorn, wenn sie gesehen hat, wie die alten und neuen Nazis wieder laut sind. „Dann“, sagte sie „geh ich auf die Barrikaden.“ Sie musste einfach dagegen kämpfen: „Ich singe, bis es keine Nazis mehr gibt!“
DAS müssen wir nun tun …
Und vielleicht sehen wir uns hier in Lübz ja im nächsten Jahr wieder, hier an diesem magischen Ort und feiern den Frieden.
Am 8. Mai werden in Hamburg und anderen Städten verschiedene Veranstaltungen zum Tag der Befreiung stattfinden.