Immer wieder brach die Leitung nach Israel zusammen.
Ackermann setzte den Bericht fort mit der Räumung des KZ Stutthof. Er war sehr krank, ein Freund brachte ihm Wasser. Die SS drohte, die Baracken anzuzünden – daher musste auch Ackermann marschieren. Er berichtete von einem Marsch, der Tag und Nacht ging. Am Fluss mussten die Häftlinge stehen, wer sich setzte oder legte, wurde erschossen. Zuerst wurden die Häftlinge mit kleinen Booten transportiert, nach einem weiteren Marsch auf Hela wurden sie in drei große Schiffe verladen. Ackermann kannte die Bauweise der Schiffe; er kam in ein Schiffsabteil unter Deck mit 350 bis 400 Mithäftlingen. Er erwartete, dass er das nicht überleben würde. Ein Problem war die Enge. Mit zwei Freunden fand er einen Unterschlupf an einer Maschine.
Meier-Göring fragte nach den Wachleuten, aber die konnte er nicht sehen und vermutete sie auf dem Schlepper, der die Schute zog. Auch die Frage nach den Mithäftlingen konnte er nicht beantworten, denn sie blieben in ihrem Unterschlupf. Erst in Neustadt erfuhr er, dass einige Mithäftlinge Norweger waren und auch „Russen“ und Polen an Bord waren. Als Verpflegung wurde vor der Fahrt ½ Laib Brot ausgegeben, aber aus Hunger aß er das sofort. Während der Fahrt gab es keinerlei Verpflegung. Sie konnten das Salzwasser der Ostsee erreichen, tranken es und seine Füße schwollen stark an. Meier-Göring fragte nach der Zahl der Toten. Ackermann konnte nur über „viele“ und „unzählige“ Tote berichten, die auf der linken Seite des Schiffes gesammelt und von zwei Häftlingen in die Ostsee geworfen wurden. Er fasste zusammen: „Ich war nur ¼ Mensch“, der in seinem Unterschlupf blieb, Meerwasser trank, mehr interessierte ihn nicht.
Nun setzte Ackermann seinen Bericht mit den Ereignissen in Neustadt vom 3.Mai fort. Es war etwa 4 Uhr morgens, der Strand war 50-70 Meter entfernt und russische und polnische Häftlinge, die kräftiger waren, verließen das Schiff. Nun mussten er und sein Freund die Rollen tauschen, denn sein Freund brauchte Unterstützung, um zum Strand zu kommen. Als sie dort saßen, komplett erschöpft, kamen die Wachen wieder. Es waren SS-Männer und welche mit anderen Uniformen, die sehr jung waren, vielleicht 17-jährig. Ein SS-Mann wurde verrückt – hier korrigierte sich Ackermann, der SS-Mann agierte sehr kaltblütig, lief mit einer Pistole herum und tötete alle, die saßen, mit Genickschüssen. Da er und sein Freund standen, wurden sie nicht erschossen, aber in seiner Umgebung wurden ungefähr sechs bis acht Häftlinge von diesem Mann erschossen. Dann sollten die Häftlinge, bewacht von Wachen mit MP, nach Neustadt marschieren (zuerst wurde befohlen, zu laufen, aber das schafften sie nicht). Es wurde mehrmals angehalten, um die am Ende der Kolonne laufenden 10-15 Häftlinge zum Strand zu treiben und dort zu erschießen. In Neustadt sollen sich 15.000 Häftlinge (?) am Sammelplatz befunden haben. Die Einschiffung auf einem großen Schiff (die Athen-tk) gelang nicht, denn es gab Verzögerungen und auch eine Explosion auf dem Schiff. Auf dem Weg zum Sammelplatz tauchten Panzerfahrzeuge mit einem weißen Stern auf – er wusste nicht, welche Armee dieses Zeichen hat, wurde dann aber von einem Panzersoldat auf Jiddisch angesprochen. Ackermann wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Ackermann ergänzte den Bericht durch eine persönliche Bemerkung, er habe nun herausgefunden, wer seinen Vater ermordete, es war der SS-Arzt Otto Heidl.
Nun stellte erst die Richterin Meier-Göring Nachfragen. Sie fragte, woher Ackermann diese Schuten kannte und wie das Schiff hieß. Es war die „Wolfgang“. Ackermann konnte nicht mehr rekonstruieren, ob sie an der Cap Arcona oder der Thielbek angelegt hatten. Auch einige Nachfragen seiner Anwältin Siegrot nach der Nationalität von Mithäftlingen konnte Ackermann nicht beantworten. Auch konnte er nicht beobachten, ob noch andere SS-ler am Strand von Neustadt auftraten. Ackermann fehlte die Energie, um diese Dinge zu beachten.
Nach der Pause gab Verteidiger Waterkamp eine Erklärung für D. ab. D. habe die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Lübeck gelesen und dort den Namen Brüdigam gefunden. Wolfgang Brüdigam sei der Wachmann, mit dem zusammen sich D. am 3.5.1945 abgesetzt hat.
Als Sachverständiger sprach nun Reimer Möller, Archivleiter der KZ-Gedenkstätte Neuengamme. Leider war sein Vortrag wegen Übertragungsproblemen nicht zu verstehen. Möller stellte die Vorgeschichte des 3. Mai dar und anhand von Zeugenaussagen die Situation am frühen Morgen, nachdem norwegische Häftlinge die Schuten an den Neustädter Strand manövriert hatten. Danach verstreuten sich Häftlinge auf der Suche nach Nahrung. Ein Foto der Schuten wurde gezeigt, aber Bruno D. konnte sich nicht erinnern. Nachdem die zuständigen Stellen in Neustadt Alarm ausgelöst hatten, nahm Ziemann um 7.30 Uhr einen Appell ab und schickte Marinesoldaten zum Strand. Neben denen trafen auch SS, SD und Gendarmen aus dem Kreis der Schiffsbewachung ein. Möller stellte die Erschießungen direkt an den Schuten mit mindestens 77 Opfern und die Erschießung von Häftlingsgruppen an der Kaimauer genauer dar. Er bestätigte auch den Befehl von Sass, der SS an den Strand schickte, um dort Tote zu verscharren.
An dieser Stelle wurden die Nachfragen an Reimer Möller wegen eines Termines von Waterkamp abgebrochen, sie werden am 9. Juni fortgesetzt.