Der Zeuge Dunin-Wasowicz ist 93 Jahre alt und wird bald 94. Er war Journalist, lebt in Warschau und war schon einmal als Zeuge da. Nun wird die Befragung fortgesetzt. Seine Aussagen werden von einer Dolmetscherin aus dem Polnischen übersetzt.
Der Verteidiger Waterkamp kündigte Fragen an („Nichts Schlimmes, keine Angst“). Er fragte nach dem „Netzwerk“, welches D-W im Lager gehabt habe und nach den Änderungen der Zustände im Juni 1944. Dunin-Wasowicz kann diese Änderungen („Es wurde etwas weicher“) nur aus den Berichten älterer Häftlinge beschreiben, für ihn war das KZ noch neu. Andere Uniformen fielen ihm nicht auf. Die Wachen erlebte er an verschiedenen Orten. Sie waren bei der Waldkolonne, mit der Dunin-Wasowicz Bäume roden musste, um Platz für die Erweiterung des KZ zu schaffen. Ein SS-Mann begleitete die Kolonne und überwachte die Kapos, die mit Stöcken schlugen. Nicht aus eigener Anschauung wusste er von Wachleuten, die Außenkommandos auf kilometerweiten Wegen bewachten, die um das Lager patroullierten (auch um die Bevölkerung fern zu halten) und die Häftlinge zu Gaskammer und Krematorium zu Hinrichtungen begleitete. Aber das sah Dunin-Wasowicz nicht unmittelbar, „sonst säße ich heute nicht hier.“
Hier hakte die Richterin Meier-Göring ein, um mehr zur Bewachung er erfahren. Dunin-Wasowicz beschrieb die Anwesenheit von Hunden, denn einmal wurde er fast gebissen, als er mehrere Ohrfeigen erhielt. Die Hunde waren außerhalb des Lagers.
Waterkamp stellte weitere Fragen. Leider hatte er einige Dinge in der ersten Aussage nicht richtig verstanden. Bemerkenswert war Dunin-Wasowicz ausführliche Erzählung der Epidemien. Es habe immer Epidemien gegeben, unter anderem erkrankte er selber an Tuberkulose. Die große Typhusepidemie 1944 löste bei der SS große Angst aus. Kranke Häftlinge wurden isoliert und auch Häftlinge, die mit der SS zu tun hatten (SS-Küche, Büroarbeit, politische Abteilung) wurde in Block 15 in einer „Sonderbaracke“ isoliert. Dies erlebte Dunin-Wasowicz selber, da sein älterer Bruder Dolmetscher war und ihn zur Sonderbaracke mitnahm. Sie wurden gegen Typhus geimpft. Der Rest der Häftlinge „starb einfach“. Waterkamp fragte nach weiteren Vorteilen – war das Essen in der Sonderbaracke besser? Nein, und „es ist schwer, das als Essen zu bezeichnen.“ Besseres Essen habe er sich durch eigene Aktionen verschafft. Dunin-Wasowicz beschrieb den Widerstand der Häftlinge, der in der Ermutigung bestand, darin, an die Freiheit und nicht an den Tod zu denken. Er selber wurde durch einen Arzt gerettet, der ihn gar nicht kannte. Die Intelligenz im Lager schmiedete auch Widerstands- und Aufstandsplänen, jedoch verschwieg ihm sein Bruder seine Beteiligung daran (zu Mareks Schutz). Er selber hatte schon in der Besatzung gelernt, zu „handeln“. Einmal kam ein Paket für einen Häftling in die Rapportschreiberstube und der SS-Mann nahm alles Wertvolle für sich. Jedoch konnten sie auch für das verbliebene Brot „alles“ eintauschen, es kursierten Gold, Schmuck, bequeme Schuhe, Lebensmittel (z.B. von den Häftlingen, die in der Gärtnerei arbeiten mussten und Gemüse ins Lager schmuggelten). Einmal konnte er für seinen Bruder und zwei Freunde eine „ganz leckere“ Suppe kochen. Er und sein Bruder konnten nur einmal ein Paket erhalten, da die Eltern in Haft saßen. Sein Bruder versuchte, den Stubenältesten vom Diebstahl aus dem Paket aufzuhalten, aber dafür erhielt er Schläge und das Paket wurde noch mehr geplündert. Pakete wurden nur an bestimmte Nationen geschickt (Norweger z.B., Dänen), nicht aber an Russen oder Franzosen.
Nach der Pause fragte die Richterin Meier-Göring, ob Dunin-Wasowicz etwas vom Bau des „Judenlagers“ im August 1944 bemerkte. D-W hatte die Fläche vor der Bebauung betreten – unter anderem, als eine Gruppe aus Warschau kam. Da Informationen vom Warschauer nationalen Aufstand im KZ verbreitet wurden, wollte er mit der Gruppe Kontakt aufnehmen, wurde aber abgewiesen, da die Gruppe nicht ins KZ eingeliefert wurde. Aber ansonsten hatte er nur einmal ein im Schlamm lagernde neu eintreffende Gruppe gesehen („Ich höre manchmal noch ihre Worte, wie sie um Brot bettelten“), wusste dagegen von den Vergasungen und Morden an neu eintreffenden jüdischen Häftlingen nur von Berichten anderer. Durch Nachfragen gelang keine weitere Klärung, was Dunin-Wasowicz aus seiner Baracke oder auf den Wachtürmen gesehen haben konnte („Der Wachturm hat mich damals absolut nicht interessiert … Ich nutzte die freie Zeit, um zu handeln.“) Besser konnte er sich an ein positives Erlebnis erinnern, nämlich die Ankunft weiblicher Kämpferinnen, 40 heroischer Frauen, die im Gleichschritt und noch mit polnischen Farben an der Kleidung ins Lager marschierten.
Auf Nachfrage seines Anwaltes RA Niwinski berichtete er vom Schuhberg, der unübersehbar war und in die Höhe wuchs, höher als die Baracken. Alle Häftlinge mussten sich ausziehen und erhielten die „Ersatzbekleidung“, die SS nahm sich wertvolle Kleidung weg und auch Häftlinge nahmen sich etwas, so dass der unbrauchbare Rest z.B. auf dem Schuhberg landete. Er selbst konnte sich einen Ring anfertigen lassen, wofür er sich schämt.
Die Richterin versuchte nun, von Bruno D. zu erfahren, ob er auf einem Wachturm zwischen den Lagerbereichen war. Trotz Einsatz einer Skizze war das fruchtlos, Bruno D. wusste weder vom Galgen noch vom Bau des „Judenlagers“.
RA Cornelius Nestler äußerte eine Kritik an zwei Aspekten der Ausführungen von Marek Dunin-Wasowicz. Es waren keine „ungarischen Juden“, sondern meist Juden aus dem Baltikum, die im Sommer 1944 in das KZ Stutthof kamen; auch waren sie schon jahrelang in Ghettos und KZ und hatten fast alle Wertgegenstände eingebüßt, können also nicht mehr „reich“ gewesen sein.
Der Prozesstag endete mit einer Diskussion, ob es möglich ist, den Prozess wie geplant am 15. Mai mit dem Urteil abzuschließen.